Von seinem Fenster aus blickt Lothar Walter auf einen gepflegten Rasen. Gerade lag dort noch Laub. Das hat er zusammengerecht und weggebracht. Dabei gehört der Rasen gar nicht ihm. Es ist der Mittelstreifen der Straße. Doch Lothar Walter überlässt die Pflege nicht einfach dem Grünflächenamt. „Die machen ja nur das Nötigste, stutzen vielleicht mal die Hecke“, sagt er. Das reicht ihm nicht. Also recht er im Herbst Laub, bewässert im Sommer Bäume und pflanzt Blumenbeete.
Das alles schafft er nicht alleine. Gemeinsam mit anderen Anwohner:innen bildet er die Nachbarschaftsinitiative Waldstraße in Moabit. Die gibt es seit 2014, doch vor allem dieses Jahr habe sich viel getan, sagt Lothar Walter. „Der Bezirk hat uns die Erlaubnis gegeben, die 23 Hydranten in der Straße für die Bewässerung zu benutzen“, sagt er. Außerdem seien die Mitglieder der Initiative nun während der Arbeit über den Bezirk versichert. Von ihrem Engagement profitieren schließlich alle.
Die Waldstraße ist eine gemütliche Wohngegend in Moabit mit viel Grün. Neben einem breiten Grünstreifen führen die Straße und breite Wege für Fußgänger entlang. Es gibt dort lange Tische, an denen man im Sommer draußen sitzen, picknicken oder Geburtstag feiern kann.
An einem Ende der Straße liegt das SOS Kinderdorf. Wenn Lothar Walter und die anderen Gärtner:innen im Sommer die Bäume gießen, kommen die Kinder oft angelaufen und wollen helfen. „Da muss man aufpassen, damit nichts passiert“, sagt Walter. Denn gegossen wird mit schwerem Gerät. Um das Wasser aus den Hydranten zu leiten, benutzt die Nachbarschaftsinitiative Wägen mit Feuerwehrschläuchen. Ihre Utensilien bewahren sie in einem lila farbigen Container auf, den sie auf der Straße aufgestellt haben.
„Ich hatte mir früher immer einen Schrebergarten gewünscht“, sagt Lothar Walter. Als er die langen Wartezeiten dafür sah, dachte er: Wieso stattdessen nicht den eigenen Kiez verschönern? Jetzt ist die ganze Waldstraße sein Schrebergarten. Diese Saison haben er und die anderen ein Blumenband gepflanzt, das im Frühjahr bunt blühen soll. Und gemeinsam mit der Stiftung „Kleine Plätze“ legten sie ein Blumenbeet an. Zwei Entwürfe standen zur Auswahl. Nun werden dort im Sommer Rosen, Hortensien und türkischer Mohn wachsen.
Bei der Nachbarschaftsinitiative Waldstraße kann jeder und jede mitmachen. Das Wichtigste erklärt Walter den Neuankömmlingen. Zum Beispiel dass jeder Baum im Sommer mindestens 100 Liter Wasser braucht. „Sonst kommt das Wasser nicht tief genug bei den Wurzeln an“, sagt er. Wer in der Waldstraße mithelfen will, brauche trotzdem nicht viel Wissen und Vorerfahrung, sagt er. „Wir haben alle sehr viel Freude an der Arbeit, das ist das Wichtigste.“
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Tagesspiegel - in der Online Ausgabe vom leute@tagesspiegel.de - Veröffentlicht am 16.12.2020 von Julia Weiss
"Sprengmeister" Lothar Walter bewässert die Bäume auf dem Mittelstreifen der Waldstraße – und kümmert sich auch sonst um die Pflanzen in seinem Kiez. -
Foto - Saisonbeginn 4.2020
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